Etwas schwierig hat es jedoch die Ernsthaftigkeit. Das Spiel verschmilzt nicht nur zwischen Vergangenheit und Gegenwart, sondern auch zwischen ernsthafter, düsterer Atmosphäre und einfach banalem Kinder-Kino. Ich hatte Call of Duty immer pseudocool und patriotisch in Erinnerung. In Black Ops 2 muss ich jedoch hin und wieder schmunzeln. So müsst ihr euch nicht wundern, wenn ihr plötzlich auf Pferden reitet, um in der Vergangenheit wie Rambo frontal auf Panzer zuzustürmen. Ich mein, was hatte man bitte vor? Wollte man den Panzer einem Takedown verpassen? Wer jetzt denkt, dass man dort total irre sein Leben mit einem Statement hinterlässt, der hat falsch gedacht. Da Mason so ein übercooler Veteran des Krieges ist, ruppt der mal eben 5 Panzer und 20 Hubschrauber vom Pferd aus weg und hinterlässt den Russen eher den Mittelfinger als sein Leben.
“Wird die Reihe immer gewalttätiger? Die Antwort darauf weiß ich nicht, aber diese eine Mission wird mir in Erinnerung bleiben. Und genau das ist der Punkt, den Call of Duty auf seine eigene verstörende Weise besonders macht.”
Auf der anderen Seite sind wieder die Missionen, die einem ein etwas mulmiges Gefühl hinterlassen. Ich erinnere beispielsweise an die Flughafen-Mission aus der Modern Warfare-Reihe. Als wahnsinniger Menendez hört man seine Schwester aus der Villa auf dem Berg schreien. Und schon geht es los. Der Wahnsinnige gelangt in eine Art Blutrausch. Die Sicht ist total verzerrt, ständig ruft er nach seiner Schwester. Nur mit einer Machete in der Hand rast er dem Hügel entgegen, zerhackt jeden, der ihm in den Weg kommt, während alles um ihn herum wie in Zeitlupe vorkommt. Zwischendurch gibt es noch eine Schrotflinte spendiert, die er in seinem Wahn komplett nachlädt und scheinbar alle Schrotpatronen mit einmal reinstopft. Ich frage mich ernsthaft, ob man die Reihe nur noch dahingehend verbessern kann, in dem man das Erlebnis steigert. Wird die Reihe immer gewalttätiger? Die Antwort darauf weiß ich nicht, aber die Mission wird mir in Erinnerung bleiben. Und genau das ist der Punkt, den Call of Duty auf seine eigene verstörende Weise besonders macht. Zum Teil wirkt es wie ein 0815-Comic, zum Teil wie patriotisches Fremdschämen, zum Teil hat es was pseudoepisches, was auch wirklich coolen Eindruck hinterlässt und zum Teil ist es echt ungemein böse und verstörend.
Wo wir gerade beim Thema sind. Verstörend ist mittlerweile auch die Grafik und die KI. Spielerisch ist Call of Duty echt sauber, keine Frage. Aber bitte, wann gedenkt der Entwickler endlich mal die Grafik auf den neuesten Stand der Technik zu bringen? Paar neue coole Lens Flares abgekupfert von Battlefield 3 hieven das Spiel nicht auf die aktuelle Technik. Wettereffekte und Leveldesign mögen zwar einige interessante Überraschungen bereithalten, aber matschige Texturen und fehlerhaftes Verschwinden von Helikoptern in Zwischensequenzen trüben die Serie mittlerweile ungemein.
Was ebenso trübt, ist die Synchronisation. Die Sprecher sind gut, keine Frage. Aber es ist anscheinend nicht einmal versucht worden, lippensynchron zu sein. Dadurch geht ein starkes Stück Qualität verloren und die Charaktere im Spiel wirken einfach unmenschlich. Und so bleibt es immer schwer sich trotz der zum Teil genialen Inszenierung wirklich in die Charaktere hinein zu versetzen. Und das schlimmste an der Synchro ist die Lautstärke. Ich musste manchmal mein Gesicht vom Fernseher wegbewegen, um mein Ohr in Richtung der Lautsprecherbox zu bewegen, weil ich das Gesprochene der Zwischensequenz, was ein interessantes Story-Puzzleteil war, nicht verstehen konnte. Die Charaktere haben unterschiedliche Lautstärken, manchmal ist die Musik dreimal lauter als das gesprochene Wort. Da fragt man sich doch, ob es nach der Lokalisierung nicht noch einmal durch die QA-Abteilung geht.
Somit sind wir auch bei der Musik. Denn die hat es wirklich in sich. Das Spiel wird von einem orchestralen Meisterwerk untermalt, das im berühmten Abbey Road Studio in London aufgenommen wurde. Komponiert wurden die Stücke von Jack Wall, der unter anderem auch für bekannte Spielreihen wie Splinter Cell und Mass Effect verantwortlich war. Es ist eine Mischung aus allseits bekannten Klängen, die Shooter immer so mit sich bringen, aber dank des Szenarios trotzdem mal wieder frischen Wind mit einfließen lassen. So ist ein Hauch von elektronischen Klängen enthalten, die je nach Kampagne und Zeitepoche mal ruhiger und mal heftiger durch die Boxen preschen. Erinnert haben mich einige Tracks im Hintergrund witzigerweise an die Matrix-Trilogie.
Die nahe Zukunft selbst ist jedoch interessanter gestaltet. So hat man interessante Waffen mit Explosionspfeilen, wie der Dark Knight ein Sonar, mit dem man die Gegner hinter Wänden sehen kann, Hightech-Handschuhe mit denen man sich an Wänden festhalten kann wie Tom Cruise in Mission Impossible 4 und Wingsuites mit denen man durchs Gebirge gleitet und letztlich in der Basis der Terroristen landet. Unmengen an Drohnen, Mechs und anderen interessanten Gadgets zum Hacken von Türen, Aufzügen und vielen mehr bringen frischen Zukunftswind in die Serie.